Die Energiewende - eine gefühlte Verunsicherung?

26 April, 2022

Häufiger fahre ich relativ entspannt mit dem Zug zu auswärtigen Terminen. Hierbei bleibt dann auch etwas mehr Zeit um das Landschaftsbild intensiver zu reflektieren. Zunehmend augenscheinlicher wird hierbei die prägende Dominanz der Windräder. Mittlerweile sind das schon Kolosse mit einer Nabenhöhe von manchmal annähernd 200m. Je höher der Turm, desto besser ist die Windernte. Über Schönheit lässt sich bekanntlich streiten, doch zumindest scheint damit in diesen schon extremen Zeiten die Energiewende zunehmend gesicherter? Am Sonnabend, den 2. April 2022, fahre ich zum wiederholten male, bei für die Jahreszeit und Region relativ angenehmen Frühjahrswetter am mit acht Windrädern noch überschaubaren Windpark bei Schwerin vorbei. Aber auch an diesem Tag dreht sich wiederum kaum ein Rad. Die vom Wetterdienst angegebene Windgeschwindigkeit beträgt 27km/ h (ca. 7,8m/ sec.). Das ist ein Wert, der im Grenzbereich zwischen einer schwachen bis mäßigen Brise eingeordnet werden kann. Nach den offiziellen Wetterdaten ist diese Windgeschwindigkeit für den Zeitraum von April bis Anfang November im Raum Schwerin schon relativ sportlich. In der Statistik sind in den sieben Monaten der Sommerzeit nur sehr vereinzelt Tage mit höheren Windgeschwindigkeiten ausgewiesen. Die Wintermonate präsentieren sich hingegen etwas sturmumtoster. Allgemein sollen Windanlagen ihre maximale Leistung bei einer Nominalgeschwindigkeit von ungefähr 43 km/ h (12m/ sec./ starker Wind) erreichen. Die Abschaltgeschwindigkeit einer Anlage liegt bei ca. 90 km/ h (28m/ sec.). Im Resümee eröffnet sich nach dieser eher oberflächlichen Betrachtung in diesem weiten flachen Land doch eher eine bescheidene Windernte.

Gelesen habe ich, dass bis zum Ende des Jahrzehnts ein massiver Ausbau der Windenergie angestrebt wird. Im Wesentlichen soll damit innerhalb weniger Jahre eine Verdrei- bis Vervierfachung der vorhandenen Kapazitäten ausgedehnt auf ungefähr zwei Prozent der Landesfläche erfolgen. Zwei Prozent das ist etwas locker über den Daumen gerechnet, knapp zehnmal das Bundesland Hamburg. Erfahren habe ich mittlerweile, dass für die Herstellung verschiedener Bestandteile im Bereich der Gondel eines Windrades besonders energieintensive und anspruchsvolle Fertigungen aus hochwertigen Gussstahl notwendig sind. Die Gießereikapazitäten in Europa sollen jedoch begrenzt sein. Die auch regenerativen Solarenergiemodule enthalten hingegen nicht unproblematische Rohstoffe wie Blei oder Cadmium. Mit einer weiter forcierten Wende zur Wind- und Sonnenenergie steigen auch überproportional die Integrationskosten in das Stromnetz. Besonders hoch sind diese Systemkosten bei der Solarenergie. In nächtlicher Dunkelheit kann eben keine Energie erzeugt werden. Damit die Wettbewerbsfähigkeit der regenerativen Energieträger verbessert wird, werden die traditionellen fossilen Energieträger mit einem beständig steigenden Preisaufschlag für Kohlendioxid versehen. Die postulierte Zielsetzung hierbei ist bekanntermaßen, die Reduzierung der Erderwärmung.

Grundlast ist Strom, dessen Energiequelle jederzeit zur Verfügung steht, und der sich je nach Bedarf herauf- und herabregeln lässt. Davon kann bei der Wind- und auch der Sonnenenergie natürlich keine Rede sein. Grundlastfähig sind zum Beispiel Gas-, Kohle- und Kernkraftwerke. Die Kernkraftwerke haben den Vorteil, dass sie die Atmosphäre nicht mit Kohlendioxid belasten. Die noch in Deutschland bestehenden Kernkraftwerke sind zudem als Investition abgeschrieben. Alleinig mit den regenerativen Energieträgern kann gegenwärtig keine kontinuierliche Stromversorgung in einem hochkomplexen Industrieland gestaltet werden. Die Stromversorgung würde zu einem allgegenwärtigen Vabanquespiel mutieren. Ursache hierfür ist, es gibt bis heute keine angemessene Speichertechnologie, die die erforderliche Versorgung im großen Maßstab ermöglicht. Ein Handyakku aufladen, ist eben etwas anderes als eine effektive und beständige Stromversorgung für eine Metropolregion zu realisieren. Es gilt zudem für alle Speichermedien, dass nur ein Teil der Energie, die gespeichert werden soll, bei der Entnahme wieder zurückgewonnen wird. Dies gilt auch für die medial häufig skizzierte Umwandlung regenerativer Energien in grundlastfähigen grünen Wasserstoff. Gegenwärtig werden hier noch weitgehend wolkige Szenarien präsentiert, die den Energiehunger einer technikaffinen Gesellschaft vielleicht erst in einer etwas ferneren Zukunft sättigen können.

Ein Szenenwechsel in den Alltag der Immobilienwirtschaft. Mit dem obigen eher rudimentären Basiswissen ausgestattet, gehe ich in ein Beratungsgespräch mit einem Grundeigentümer, der einen nachhaltigen Wirtschaftsplan mit einer längerfristigen Perspektive für seinen heterogenen Immobilienbestand von Wohn- und Gewerbeimmobilien wünscht. Er besitzt eine gute handvoll von älteren Objekten aus den fünfziger bis siebziger Jahren, die sich im Wesentlichen südlich der Elbe befinden. Einige von diesen Objekten im Kerngebiet von Harburg waren noch um die Jahrtausendwende gar nicht so leicht vermietbar, davon kann heute jedoch keine Rede mehr sein. Eine Schlussfolgerung für den Eigentümer ist, Investitonen in den Bestand dürften sich eigentlich lohnen.

Das Heizungssystem ist in der Mehrzahl seiner Objekte antiquiert. Investitionen wären hier besonders sinnvoll und vom Gesetzgeber auch erwünscht. Ursprünglich sollte zum 1. Januar 2025 jede neu eingebaute Heizung zu 65% mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Es bleibt jedoch nicht bei diesem Termin, die Angelegenheit wurde jetzt sogar um ein Jahr vorgezogen. Diese sehr kurzen zeitlichen Vorgaben verengen jedoch noch mehr den Fokus auf die auf Strombasis funktionierende Wärmepumpe. Die bedingte Alternative Pelletheizung hat sich durch die von ihr ausgehende Feinstaubbelastung eher etwas verabschiedet. Bekannt ist, in gut gedämmten Neubauten mit niedrigen Vorlauftemperaturen und großflächigen Heizkörpern funktioniert die Wärmepumpe. In älteren Bestandsobjekten wird das jedoch aus vielfachen Gründen kaum umsetzbar sein. Hier wird die Wärmepumpe nach heutiger Kenntnis eher zum Stromfresser. Zudem wird durch eine Vielzahl von Wärmepumpen, ein schon stark beanspruchtes Stromnetz, zusätzlich belastet. Außer Acht gelassen hierbei sind auch fehlende Kapazitäten des Handwerks. Das erforderliche anspruchsvolle Know How kann nicht schnell mal eben aus den Ärmeln geschüttelt werden. Die Wärmepumpe beinhaltet aber nur ein Beispiel für nicht gelöste Kontroversen in der alltäglichen praktischen Umsetzung der Energiewende. Trotzdem sind die zeitlichen Vorgaben der Wende immer enger getaktet worden. Wege zu einer größeren Technologieoffenheit  werden damit aber eher verbaut. Letztendlich sind Innovationen auch das Resultat eines sich beständig entwickelnden Wechselspiels mit den alltäglichen Erfahrungen aus der Praxis.

Die intensive Diskussion mit dem Eigentümer bleibt an dem Tag ergebnisoffen. Ehrlich gesagt, richtig verstanden, haben wir den Plan für die Energiewende beide noch nicht. Der Verfasser ist jedoch kein ausgewiesener Experte in Sachen Energiewende.

Michael Witt 

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